Der Lechaufstau oberhalb von Schongau – eine Rückschau von Klement Sesar

Im „Heimatkundlichen Jahrbuch Lech-Isar-Land 2013“ veröffentlicht Eberhard Pfeuffer einen Artikel unter dem Titel „Otto Kraus (1905 - 1984); der erste amtliche Natur-schützer Bayerns“. Der Bericht schildert die unerschrockene und beharrliche Abwehr des von den Bayerischen Wasserkraftwerken AG (BAWAG) geplanten Ausbaus der Lechstrecke Lechbruck - Schongau in Gestalt der Staustufen 3 (Lechbruck), 4 (Dessau), 5 (Litzauer Schleife) und 6 (Schongau-Dornau) in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch Professor Dr. Otto Kraus. Otto Kraus war Honorar-Professor für Naturschutz und Mineralogie an der Universität München, Lehrbeauftragter für Naturschutz in der Abteilung Landwirtschaft an der TH München und gleichzeitig Landesbeauftragter für Naturschutz in Bayern.

In diesen für das obere Lechtal schicksalhaften Jahren 1950 - 1970 wurde unser heimatlicher Lech, den Hans Schütz in seinem Gedichtband noch als „Lech, du wuldar Hund“ betitelt, fast durchgehend zu einer geschändeten, träge fließenden Flussleiche vergewaltigt. Die vormals reichen Bestände von Äsche, Bachforelle und Huchen wurden in den Staustufen von Hecht, Zander, Barsch und Weißfisch verdrängt. Späteren Generationen hinterlassen wir als Erbe eine zunehmend verlandende Kette von Stauseen mit ihren vom Schwellbetrieb verschlammten und stinkenden Ufern. Zugegeben: An einigen Stellen für Wassersport oder zum Baden gut geeignet – Natur aus zweiter Hand eben, aber keine Spur von dem, was die offenbar interessengesteuerten Schongauer Nachrichten in einem Bericht am 25.09.1954 so fabulierten: „Besonders der Stausee Stufe 6 dürfte ein verträumter Waldsee von ganz einmaliger Romantik werden. Bayern wird um ein landschaftliches Juwel reicher sein. Den ganzen Dornauer Lechgrund hinunter wird sich ein langer, smaragdgrüner Märchensee erstrecken, in dem sich zu beiden Seiten der Bergwald bis hinunter in den Grund dieses 25 m tiefen Wassers spiegelt.“

Dankbarkeit und die historische Gerechtigkeit gebieten es, jenem Mann ein Gedenken zu widmen, der sich damals dem Kampf „David gegen Goliath“ stellte und am Lech leider weitgehend scheitern musste. Die Tragik seines Scheiterns gegen die übermächtigen Interessen der Wirtschaft im energiehungrigen Nachkriegsbayern findet im Untertitel dieses Artikels eine sehr treffende Würdigung:

„Die Vergangenheit hat ihn angefeindet bis zum Versuch der Demütigung –die Gegenwart gibt ihm Recht – die Zukunft wird ihn ehren“.

Leider kommt in diesem historischen Abriss von Eberhard Pfeuffer die enge Zusammenarbeit von Prof. Dr. Otto Kraus mit dem Kreisfischereiverein Schongau e.V., auf den als ortskundigen Helfer sich Otto Kraus bei seiner verzweifelten Abwehr der Lechzerstörung – insbesondere der Litzauer Schleife – zuverlässig stützen konnte, überhaupt nicht zum Ausdruck.

Die nachstehende Darstellung richtet deshalb ihr besonderes Augenmerk auf dieses Detail der Lechgeschichte:

Die Mitglieder des Kreisfischereivereins Schongau befischten seit 1882 den Lech in der vereinseigenen Pachtstrecke oberhalb von Schongau vom alten GHP-Wehr bis zur Grenze, 1km südlich des damaligen Kreuter Stegs. Daneben hatten unsere Fischer seit ca. 1900 auch 8 - 10 Jahreserlaubnisscheine für die GHP-Fischerei-rechtsstrecke von der Einmündung des Papierfabrik-Werkkanals bis zur Wielenbach-mündung in den Lech. In der Vereinschronik „125 Jahre KFV Schongau“ wird das wechselvolle Geschehen um Fischerei und Fischereirechte am oberen Lech geschildert. Bereits 1944 machten dann die 1940 gegründeten Bayerischen Wasserkraftwerke AG (BAWAG) gegenüber dem KFV Schongau ihre (angeblichen – im Rahmen der sogenannten Neuenahrer Verträge 1954 aber relativierten) fischereilichen Eigentumsrechte am Lech oberhalb von Schongau geltend. Das drohende Gespenst der Lechzerstörung wurde nun real und jährlich konkreter.

Als junges Mitglied im KFV Schongau konnte ich bei Vorträgen im Verein Herrn Professor Dr. Otto Kraus noch persönlich kennen und schätzen lernen. Dies ist mir Anlass, die enge Zusammenarbeit zwischen dem damaligen Leiter der Bayerischen Landesstelle für Naturschutz, Professor Dr. Otto Kraus (1947 - 1964), und dem KFV Schongau mit seinem damaligen 1. Vorsitzenden Georg Achmüller in den Jahren 1952 - 1958 zu belegen. Die in unserem Vereinsarchiv aufbewahrten schriftlichen Kontakte zwischen Dr. Otto Kraus und Georg Achmüller haben großteils sehr persönlichen Charakter. Mangels Schreibkraft und Büroausstattung (!) musste Otto Kraus in den ersten Jahren seiner Amtstätigkeit ab 1947 die meisten Briefe handschriftlich verfassen. Mehrere Schreiben tragen dabei den Vermerk „Vertraulich“. Dieser Behandlungsvermerk ist offenbar der Abhängigkeit des Beamten Kraus gegenüber seinem – den Interessen der BAWAG geneigten – Dienstherrn, dem Bayerischen Innenminister, geschuldet. Delikat ist, dass Naturschutz und Oberste Baubehörde damals unter einem Dach, dem Innenministerium, angesiedelt waren; Interessenskollisionen waren damit vorprogrammiert, dies umso mehr, als Innenminister Dr. August Geislhöringer auch noch im Aufsichtsrat der BAWAG saß (1955 - 1958). Auch der Bayerische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner betonte bei einem persönlichen Gespräch mit Otto Kraus, dass, „wenn die wirtschaftlichen Beweggründe die ideellen Gesichtspunkte überwiegen, der Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden muss“. Otto Kraus war durchaus kompromissbereit und gehörte keineswegs zu jenen Ökopuristen, die die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Industriegesellschaft ignorieren. Wie der Bayerische Ministerrat (bis zu seiner Beschlussänderung 1957), so vertrat auch Otto Kraus den Standpunkt, dass nach dem in den 40er Jahren erfolgten Bau der Lechstaustufen 12 (Mundraching), 11 (Epfach), 10 (Apfeldorf), 9 (Kinsau), 8 (Hohenfurch) und 7 (unterhalb Schongau) den daraus resultierenden Eintiefungen in der Flusssohle am unteren Lech nur durch den raschen Bau weiterer Lechstaustufen am unteren Lech zwischen Landsberg und Augsburg begegnet werden kann. Ich erinnere mich noch an ein von Otto Kraus organisiertes Treffen des KFV Schongau mit dem Präsidenten des Fischereiverbands Oberbayern, Rektor Schauer, Fischereidirektor Dr. Josef Schmid (Ehrenmitglied im KFV Schongau) und dem 1. Vorsitzenden des Bezirksfischereivereins Landsberg, Notar Gum, im Hotel Goggl in Landsberg. Otto Kraus warb dort für den weiteren Staustufenbau nördlich Landsberg. Er musste aber dann erleben, dass der Bund Naturschutz in Bayern (BNiB) unter seinem Vorsitzenden, Staatssekretär a.D. Dr. Eduard Brenner, bei der Jahreshauptversammlung 1956 überraschend einknickte und sich entgegen dem Beschluss des Bayerischen Ministerrats für den Lechausbau oberhalb Schongau aussprach. Hierauf Otto Kraus wörtlich im Bayernmerkur vom 14.03.1957: „Ich kann es nicht glauben, dass ein Mann des Naturschutzes solche Zugeständnisse macht, die sogar über einen Ministerratsbeschluss zum Schutz der Litzauer Schleife hinaus gehen.“ Otto Kraus kämpfte weiter um den Erhalt der gesamten unberührten Lechstrecke von Schongau bis Lechbruck und wusste nach der Lechbereisung des Ministerrats im Frühjahr 1955 auch die Bayerische Staatsregierung auf seiner Seite. Wichtige Unterstützung erhielten die Gegner der BAWAG-Pläne auch durch die Bewertung des Bayerischen Oberbergamts, dass die Lechstrecke Lechbruck bis Niederwies „innerhalb des künftigen Grubenfeldes des Pechkohlenbergwerks Peiting liegt“. Der Abbau von „2,5 Millionen Tonnen Kohle sei dann verloren“. 1957 fasste der Bayerische Ministerrat aber einen geänderten Beschluss, der den Bau der Stufe 6 unter folgenden Auflagen genehmigte: a) „Verzicht auf den vorgesehenen Bau der Lechstaustufe 5 und damit Erhalt der 5,5 km Litzauer Schleife als Fließstrecke“ und b) „ Nach Fertigstellung der Lechstaustufe 6 Weiterbau am unteren Lech ab Landsberg zwecks Sanierung der Talauen im Sinne der Grundwasseranhebung“. Was durch diese Beschlussänderung zerstört wurde, schildert Otto Kraus so: „Der obere Lech umfasst eine naturräumliche Einheit von einmaliger bildmäßiger und geologisch-floristischer Prägung. Die wilden Wasser sind eines der letzten Reviere des Huchens, des mächtigsten Vertreters der Salmoniden. Ein Teil dieser ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft ging bereits durch die brutale Zerstörung des Illasberg-durchbruchs verloren; mit der in Bau befindlichen Stufe 6 wird nun die Zerstörung fortgesetzt.“ Dr. Otto Kraus reagierte auf diese Enttäuschung durch den BNiB mit seiner aufrüttelnden Publikation „Bis zum letzten Wildwasser“ (Verlag Georgi, Aachen). In diesem Büchlein erinnert er auch an Kraftwerkspläne an der Ammer, die von Echelsbach abwärts nach 1945 durch die Projektierung von 5 Kraftwerken bedroht war.

Für die BAWAG (Vorstand von 1949 - 1975 Diplomkaufmann Martin Nickel und Dipl.- Ing. Werner Pietsch) hatte der wirtschaftlich interessantere, weil kostengünstigere Ausbau der Lechstrecke Lechbruck - Schongau mit ihren Hochufern Vorrang. Ein Bericht der Schongauer Nachrichten vom 12.03.1960 schildert einen Vorstoß von Rudolf Gigl, Vorsitzender des Verkehrsvereins Schongau und Mitglied der erweiterten Vorstandschaft im KFV Schongau, zu einem Treffen der Bürgermeister der Gemeinden Peiting, Schongau, Bernbeuren und Lechbruck, Otto Kraus und der BAWAG. Bei diesem Gespräch war als neue Variante zum Ausbau des oberen Lech von einem „13 km langen See zwischen Niederwies und Lechbruck“ die Rede. „Mit dieser Größe erreicht der See fast den schönsten bayerischen Alpensee, den Königssee. Dass die Gemeinden Lechbruck, Urspring, Riesen landschaftlich nur gewinnen werden ist mit Sicherheit anzunehmen.“ Mit der Errichtung der Lechstaustufe 6 (Schongau-Dornau) in den Jahren 1958/59 und der entgegen den im Genehmigungsbeschluss zum Bau der Stufe 6 anschließend errichteten Stufen 4 (Dessau) und 3 (Lechbruck) in den Jahren 1966 und 1967 war dann das Schicksal unserer Vereinspachtstrecke oberhalb Schongau besiegelt. Als politisches Feigenblatt für diesen brutalen Akt der Zerstörung einer unwiederbringlichen Wildflusslandschaft blieb dann bis heute nur der Bereich der Lechstaufstufe 5 unberührt, die Litzauer Schleife mit 5,5 km Länge.

Ein außergewöhnliches Beispiel für die damalige Bedrohung der Litzauer Schleife und für die Missachtung, die sich die BAWAG gegenüber den Beschlüssen des Bayerischen Ministerrates geleistet hat, dokumentiert Otto Kraus in den „Blättern für Naturschutz“, Heft 3-4, Jahrgang 1959 mit einem Bildbericht unter dem Titel: „Noch einmal, was geht am oberen Lech vor?“ Zitat:

„Im letzten Heft unserer Blätter für Naturschutz berichten wir über die Zerschlagung der Peitinger Schleife durch die in Bau befindliche Lechstaustufe 6, deren Staudamm entgegen der seinerzeit vom Bayerischen Ministerrat bezeichneten Stelle nun 600 m lechabwärts mitten in die Peitinger Schleife erstellt wird. Eine würdige Parallele zu der durch die gleiche Firma vollzogenen Vernichtung des berühmten Durchbruchs am Illasberg bei Roßhaupten. Dies wurde als die letzte Todsünde am oberen Lech bezeichnet. Und nun dies: Mitten in der Litzauer Schleife werden zur Zeit Bohrungen durchgeführt, um die Beschaffenheit des Untergrunds für einen durch einen Ministerratsbeschluss untersagten Staudamm !!! zu untersuchen. Bohrgestelle, Bohrrohre, Wasserleitungen, Maschinen und Baracken konnten festgestellt werden. Durch einen Beschluss des Bayerischen Ministerrats ist, wie bereits erwähnt, ausdrücklich die Erhaltung der Litzauer Schleife als Auflage für die Genehmigung der Stufe 6 festgelegt worden. Fernerhin, dass nach Fertigstellung dieser Stufe zuerst am unteren Lech weitergebaut werden müsse, um in der dortigen Tallandschaft eine Sanierung im Sinne einer Grundwasseranhebung zu erreichen. Wir fragen, was die BAWAG in der Litzauer Schleife zu suchen hat ? Wir fragen weiter, ob der Bayerische Staat als Eigentümer dieser Flussstrecke sich diese neue Herausforderung der BAWAG bieten lässt. Wenn die BAWAG einen Damm nun auch in der Litzauer Schleife bauen darf, brechen endgültig alle Dämme, die durch Gesetze im Interesse der Bewahrung der Heimat vor zerstörender Ausbeutung aufgerichtet wurden.“

Im Jahr 1962 folgte eine weitere merkenswerte politische Posse: Die Schongauer Nachrichten von 28.06.1962 titeln: Wurde Landrat Dr. Hilger eine Million angeboten? Der obere Lech ist wieder zum Kriegsschauplatz geworden. Die „Notgemeinschaft oberer Lech“ informiert: „Der Kämmerer der Stadt Schongau ist an den Landrat des Kreises Schongau herangetreten mit dem Hinweis, dass die BAWAG bereit sei, für die Genehmigung der Stufe 5 in der Litzauer Schleife dem Landkreis eine Spende von etwa 1 Million Mark zu machen. Diese Versuche wurden dem Landrat gegenüber wiederholt, obwohl dieser eine solche Methode aus erklärlichen Gründen eindeutig ablehnte.“ Die „Notgemeinschaft oberer Lech“ folgerte hieraus, „dass der Beschluss des Bayerischen Ministerrats vom 26.06.1957 zu Fall gebracht werden und der gesetzliche Schutz für die Litzauer Schleife zunichte gemacht werden soll“. Die Schongauer Nachrichten berichten weiter: „Landrat Dr. Hilger erklärte in einer sehr stürmisch verlaufenen Kreistagssitzung klipp und klar, dass er das Angebot von einer Million als reinrassige Bestechung ansieht. Dem gegenüber steht ein nicht geringer Teil der Kreisräte auf dem Standpunkt, dass Dr. Hilger als Landrat und nicht als Privatperson (Hilger war Mitglied im Kreisfischereiverein Schongau) angesprochen ist und er als solcher einer Bereicherung des Landkreissäckels um eine runde Million nicht absolut einseitig gegenüber stehen dürfe. Die BAWAG distanzierte sich letztlich von einem solchen Angebot.

32 Schreiben zwischen Professor Dr. Otto Kraus und dem KFV Schongau aus den Jahren 1953 - 1959 dokumentieren die aktive Rolle des KFV Schongau ebenso, wie die in unserem Vereinsarchiv verfügbaren Leserbriefe und andere von Otto Kraus veranlasste Artikel in den Schongauer Nachrichten, der Süddeutschen Zeitung und im Münchner Merkur. Auf amtliche Stellungnahmen als Leiter des Naturschutzes in Bayern und sonstige wenig bekannte Artikel aus der Feder von Otto Kraus zum Lechschutz wird ebenfalls hingewiesen. Dankbar erwähnen darf ich auch Amtmann A. Micheler, der als Regierungsbeauftragter für Naturschutz in den Landkreisen Landsberg und Schongau Otto Kraus nachdrücklich unterstützte.

Für die meisten unserer Vereinsmitglieder ist die Erinnerung an den Wildfluss Lech, das Fliegenfischen auf Äschen oder das winterliche Huchenfischen, nicht mehr erlebte Realität, sondern Vergangenheit – wir haben uns mit den heutigen Gegebenheiten am Lech arrangiert. Dennoch will ich die herausragende Mitwirkung des KFV Schongau bei der Rettung der letzten naturbelassenen Lechstrecke am oberen Lech, der Litzauer Schleife, in Erinnerung rufen. Wir sind stolz auf diesen verdienstvollen Abschnitt unserer Vereinsgeschichte.

Rückschauend ist aber auch selbstkritisch anzumerken, dass unser Verein zwar ideell vorbildlich gehandelt hat, aber taktisch besser beraten gewesen wäre, wenn er – dem Beispiel anderer Vereine folgend – rechtzeitig die Front der BAWAG-Gegner verlassen hätte. Präsident Schauer vom Fischereiverband Oberbayern empfiehlt z.B. in einem Schreiben vom 12.06.1956 dem KFV Schongau, „das Verhältnis zur BAWAG in gutem Sinne wieder herzustellen“. Natürlich führte die Otto Kraus weiterhin unterstützende Mitwirkung des KFV Schongau bei der Abwehr des Lechaufstaus in der Litzauer Schleife zur Verärgerung bei der BAWAG, die damals als Hauptpächter der staatseigenen Fischreirechte am Lech die Fischereivereine an der „kurzen Leine“ führte. Unser Verein hatte deshalb bei der Neuordnung der Fischereipachtverhältnisse am oberen Lech nach 1960 mit vielen unfreundlichen Ablehnungsreaktionen der BAWAG zu kämpfen. In unserem Vereinsarchiv vorliegende schriftliche Unterlagen (Aktennotiz vom 11.04.1960 zur Besprechung Direktor Nickel, Dr. Kustermann und GHP) belegen, dass BAWAG Direktor Nickel in autoritärer Gutsherrenart die Fischwasserpacht des KFV Schongau an der Stufe 6 entweder völlig streichen oder auf die Strecke vom Damm in der Dornau bis lediglich kurz oberhalb der heutigen Lechtalbrücke (Flusskilometer 130,8) beschränken wollte. Das Fischrecht und die fischereiliche Bewirtschaftung der 6,8 km langen Lechstaustufe 6 wäre damit in zwei Zonen aufgeteilt worden; unglaublich und nicht praktizierbar! Das Protokoll vermerkt wörtlich: „Die Strecke von Flusskilometer 130,8 aufwärts bis zur Stauwurzel oberhalb Niederwies gibt die BAWAG möglicherweise an „Die Gesplißten“ oder an andere Interessenten ab.“ Bezeichnend für die Stimmungslage ist der letzte Satz des Protokolls: „Achmüller kann man andeuten, was künftig beabsichtigt ist. Wenn er weiter stänkert, fällt alles ins Wasser“. In dem 1962 zwischen der BAWAG und dem KFV Schongau abgeschlossenen Fischereipachtvertrag zur Stufe 6 wird als obere Grenze bei Flusskilometer 132,5 eine Ost-Westlinie vom Niederwieser Felsen zum Burggener Ufer festgelegt. Die gesamte Niederwieser Bucht und die Fließstrecke bis zur Stauwurzel wurde von der BAWAG als sogenannte „Schonstrecke“ (mit Fischrecht Direktor Nickel!) ausgewiesen. Eine in fischereilichem Sinne vertretbare Fischwassergrenze an der Stauwurzel der Lechstaustufe 6, beim Flusskilometer 133,5, konnte dann erst 1972 mit dem sogenannten „Burgfriedensvertrag“ in guter nachbarschaftlicher Weise mit dem Oberanlieger, dem Sportfischerverein „Die Gesplißten“ erreicht werden.

Nach wie vor kaum gelöste Probleme wie der Schwellbetrieb im Flussbereich der Litzauer Schleife und die Staupegelschwankungen in den Lechstaustufen 6 und 7 fordern bis heute den Kraftwerksbetreiber E.ON zu verantwortlichen Kompromissen mit Fischerei und Naturschutz.

Weitere Initiativen des KFV Schongau zur Verbesserung der ökologischen Situ-ation in der Litzauer Schleife und in der Stufe 6 in jüngster Zeit:

Auf Anregung des KFV Schongau und des Sportfischervereins „Die Gesplißten“ fand am 02.04.2004 eine Besprechung zum Thema „Schwellbetrieb in der Lechstrecke vom Auslauf Kraftwerk Lechstaustufe 4 bis Einlauf in die Lechstaustufe 6“ statt.

In Weiterführung der Besprechung vom 02.04.2004 fand am 28.05.2004 eine zweite Besprechung zum gleichen Thema zwischen der Firma E.ON Wasserkraft, dem KFV Schongau, den „Gesplißten“, der Anglergemeinschaft Lech-Ammer und Frau MdL Renate Dodell statt.

Ergebnisse dieser Besprechungen waren:

  1. Änderung des Mindestwasserabflusses ab Kraftwerk 4 von vorher 20 auf nun 35 m³/sec im Sommer und von vorher 10 auf nun 25 m³/sec im Winter.
  2. Änderung der Abflussgeschwindigkeit auf 50 m³/sec innerhalb von 30 Mi-nuten.

Diese Änderungen des Abflussregimes aus der Stufe 4 sind fischereilich und ökolo-gisch zielführende Verbesserungen, weil sie die Wasserspiegelschwankungen im Fließbereich der Litzauer Schleife reduzieren.

Das Thema Stauziel an der Lechstaustufe 6 wurde bei diesen Besprechungen nicht detailliert angesprochen. Derzeit besteht hierzu folgender Sachstand: Der Wasserrechtliche Genehmigungsbescheid von 1958 für die Lechstaustufe 6 legt im § 13 Abs. 4 das Stauziel der Stufe 6 definitiv auf 693 m üNN fest. In einem ebenfalls in dieser Genehmigung formulierten Zusatz wird „probeweise und jederzeit widerruflich“ ein Stauziel von 694 m üNN zugelassen. Die formelle Genehmigung für diese Stauzielerhöhung erfolgte auf Initiative des KFV Schongau erst in den vergangenen Jahren. Die Wasserrechtliche Genehmigung für die Stufe 6 legt ebenfalls im § 13 Abs. 4 die Bandbreite der regelmäßigen Stauzielabsenkungen folgendermaßen fest: 0,8 m im Sommer (April - September) sowie 2 m im Winter (Oktober - März). Mit dieser Festlegung kann der Kraftwerksbetreiber E.ON im Sommer auf 692,2 m üNN und im Winter auf 691 m üNN abstauen. Der Sinn dieser streng beschränkten Stauzielschwankungsbreite ist die ökologische Rücksichtnahme auf fischereiliche und ästhetische Belange. Für die später auf 694 m üNN geänderte Stauspiegelkote macht der Genehmigungsbescheid hinsichtlich des Abstaus keine Aussage.

Falls der Kraftwerksbetreiber E.ON trotz des nun um 1 m auf 694 m üNN erhöhten Stauspiegels auf den ursprünglichen Abstauwerten beharrt, erhöht sich die Staudifferenz im Sommer von 0,8 m auf 1,8 m und im Winter von 2 m auf 3 m. Dies wäre eine radikale Verschlechterung der ästhetischen und fischereilichen Verhältnisse in den Randbereichen und den Flachwasserzonen der Stufe 6; hiervon wären vor allem die Rossauer Bucht und die Niederwieser Bucht mit dem dortigen Erholungsgelände gravierend betroffen. Seit einigen Jahren ist der Freibadebereich der Niederwieser Bucht beim täglichen Abstau weitgehend von Schlammbänken geprägt, es ist deshalb anzunehmen, dass die Firma E.ON diesen nicht eindeutig formulierten Passus zu ihren Gunsten interpretiert. Ein Problem, das dringend einer rechtlichen Klarstellung bedarf.