Planktonuntersuchung an der Lechstaustufe 6

von Dr. Erik Bohl

Einleitung

Der Lech verändert sich zunehmend vom ursprünglichen Salmonidengewässer hin zu einem Mischbiotop, in welchem andere Fischarten mehr und mehr dominieren. Dafür verantwortlichen sind im Wesentlichen die Veränderungen des Gewässers durch den Betrieb der Wasserkraftwerke. Das betrifft das u.a. das Strömungsgeschehen, das Temperaturklima, die Sedimentbeschaffenheit sowie den Nährstoffgehalt.
Die Vorstandschaft des Kreisfischereivereins Schongau e. V. sucht nach Möglichkeiten, die fischereiliche Bewirtschaftung den ökologischen Veränderungen bestmöglich anzupassen, um auch weiterhin eine ökologisch orientierte und nachhaltige Fischerei zu betreiben. Dazu gehört auch die Suche nach anderen heimischen Fischarten, die im heutigen Lech geeignete Lebensbedingungen finden.Ein Thema dabei ist die Nutzung des großen Wasserkörpers des Stausees in der Lechstaustufe 6.
Als typischer Bewohner des Freiwassers kommt dabei die Renke in Betracht. Bereits im Jahr 1994 wurden vom damaligen Fischereifachberater 100.000 Stück Renkenbrut in den Stausee besetzt, leider ohne jede Voruntersuchung der Nahrungsgrundlage im Gewässer und somit quasi ins Blaue. Ein Erfolg des einmaligen Besatzversuches konnte nie festge-stellt werden. Weder wurden im See jemals Renken gesichtet oder gefangen, noch konnten bei eigenen Echolotkontrollen die für Renken typischen Impulse im Pelagial (Freiwasser) der Staustufe gefunden werden.
Entscheidende Lebensgrundlage für die Renke ist das tierische Plankton als Nahrung im Freiwasser, also jene winzigen Tiere, die frei im Wasser schwebend die mikroskopischen Planktonalgen als Nahrung nutzen. Die wichtigsten Vertreter dieses Zooplanktons sind Kleinkrebse wie Wasserfloh und Hüpferling sowie Rädertiere verschiedener Arten.
Die Lebensform des Planktons ist allgemein auf stehende und schwach fließende Gewässer beschränkt. In unserem Klima zeigt es einen typischen Jahreszyklus. Der Winter ist in der Regel planktonarm. Im Frühjahr entwickeln sich zunächst die meist einzelligen Algen des pflanzlichen Planktons (Phytoplankton), zeitverzögert vermehrt sich dann das davon lebende tierische Plankton (Zooplankton) bis zu seinem Maximum im Sommer.


Die Untersuchung

Um die Verfügbarkeit der Nährtiere im Plankton zu beurteilen, unternahmen Erik Bohl und Roland Meindl im Sommer 2020 zwei Beprobungsfahrten auf dem Schongauer See. An insgesamt 10 Stellen wurden mit einem speziellen Planktonnetz Vertikalzüge aus 10 m Tiefe bis zur Oberfläche vorgenommen. Damit wurde die „euphotische Zone“ erfasst, also der Tiefenbereich, in dem das eindringende Sonnenlicht pflanzliche Produktion ermöglicht. Die Positionen der Probestellen wurden zum Wiederauffinden mit dem GPS vermessen und gespeichert, das Tiefenprofil wurde mit dem Echolot bestimmt. Das Planktonnetz hatte eine Maschenweite von 100 µm (0,1 mm), womit die in Betracht kommenden Planktontiere erfasst wurden. Jeder der genormten Vertikalzüge erfasste ein Volumen von ca. 240 l, so dass die Dichte der Planktontiere in der Wassersäule auf den Liter umgerechnet werden konnte.
Die erste Beprobung fand am 07.07.2020 bei einer Oberflächentemperatur von 17.0 °C statt. Vorausgegangen waren einige Wochen mit Niederschlägen, so dass das Wasser des Stausees eine relativ hohe Austauschrate hatte.
Die zweite Probefahrt war am 25.08.2020 bei 19,5 °C Wassertemperatur. Die Wochen zuvor gab es kaum Regen, so dass der Durchfluss im Wasserkörper deutlich geringer war.
Eine weitere Beprobung wurde im Herbst des nächsten Jahres bei einer Oberflächentemperatur von 17,5 °C unternommen (27.09.2021), nachdem eine sommerliche Untersuchung wegen des ständig erhöhten Abflusses nicht sinnvoll war.

 Lage der Probestellen im Lechstausee
Abb. 1: Lage der Probestellen im Lechstausee

Ergebnisse

Die Beprobung im Juli erbrachte im Plankton nur wenige Arten in sehr geringen Dichten. Nicht wesentlich breiter war das Artenspektrum im August, die Tierdichte auch nur sehr geringfügig höher. Das Plankton war über die untersuchte Seefläche ziemlich gleichmäßig verteilt, so dass sich die Probestellen jeweils kaum voneinander unterschieden. Als wichtige Vertreter der Kleinkrebse traten bei den Wasserflöhen die Gattungen Bosmina, Daphnia und Alona auf, bei den Hüpferlingen die Formen Cyclopoiden und Calanoiden sowie deren Larven, die Nauplien. Bei den Rädertieren war es die Gattung Asplanchna. Alle diese Planktontiere ernähren sich von dem pflanzlichen Plankton, also überwiegend einzelligen Schwebalgen. Mückenlarven im Freiwasser waren nur die der räuberischen Büschelmücke Chaoborus.
 

Abb. 1Abb. 2

Abb. 2 und 3: Artenverteilung im Zooplankton im Lechstausee im Sommer 2020

Die angetroffenen Arten sind typisch für das Plankton süddeutscher Seen und gehören durchwegs zum natürlichen Nahrungsspektrum der im Freiwasser lebenden Renken.
Obwohl das Zooplankton typischerweise im Hochsommer seine größte Dichte erreicht, war diese im Lechsee auch zu dieser Jahreszeit bei allen Beprobungen verschwindend gering und lag nur im Tausendstel bis Zehntausendstel-Bereich vergleichbarer Stillgewässer in der Region (Beispiel großer Ostersee und Ammersee).

Abb. 3
 

Abb.4
 
Abb. 4: Artenverteilung im Zooplankton im Lechstausee im September 2021
Abb. 5: Exemplarischer Vergleich der Planktondichten in Juli-September-Proben

Die Kontrolluntersuchung im September 2021 nach einem sehr regenreichen Sommer mit mehreren Hochwasserdurchgängen bestätigt das Bild. Das Artenspektrum war weitgehend ähnlich, bei den Rädertieren traten die Arten Keratella quadrata und Kellicottia longispina bei insgesamt wieder außerordentlich geringer Zooplanktondichte auf.


Diskussion der Ergebnisse

Während die kühlen und regenreichen Wochen mit erhöhtem Wasseraustausch im See vor der ersten Beprobung 2020 verantwortlich für die geringe Planktonentwicklung gewesen sein könnten, trifft das bei der zweiten Probenahme im August nach längerer trockener Wetterperiode mit geringen Abflusswerten nicht zu. Temperatur und Algenangebot sollten zu diesem Zeitpunkt dem Zooplankton geeignete Voraussetzungen zu einer dichten Bestandsentwicklung bieten, wie dies im Hochsommer zum Höhepunkt der Planktondichte normal ist. Die geringen Planktondichten bei der Beprobung im September 2021 nach starken Durchfluss-Ereignissen im Stausee verwundert in diesem Zusammenhang dagegen nicht.
Wegen ihrer filtrierenden Ernährungsweise benötigen Renken eine bestimmte minimale Planktondichte, um ihren Energiebedarf zu decken. Bei den im Lechsee festgestellten Dichten des Zooplanktons würden die Fische, besonders aber ihre Brut, an akuter Nahrungsnot leiden und u. U. verhungern. Somit erscheint nach diesem Ergebnis der Schongauer Stausee mangels Nahrung für Freiwasser-Renken als Lebensraum ungeeignet.
Die Ursache für diese geringe Planktonentwicklung dürfte in der trotz der Stauhaltung auch bei normalem Abfluss immer noch starken Durchströmung und den damit verbundenen Turbulenzen im Wasserkörper zu suchen sein, denen die typischen stillwasser geprägten Planktonarten (Kleinkrebse und Rädertiere) nicht standhalten können. Durch ständige Verdriftung, mechanische Beanspruchung durch Mikroturbulenzen und die Unmöglichkeit, im bewegten Wasserkörper stabil die Position in einer günstigen Wasserschicht zu halten werden die Plankter am Aufbau und Erhalt eines Bestandes gehindert. Diese Merkmale machen den Stau zu einem typischen Zwitterbiotop: Einerseits wären Tiefenprofil, Temperatur, Sauerstoffgehalt und Nährstoffkonzentration geeignet für ein Renkengewässer, andererseits verhindern die Abfluss-, Strömungs- und Schichtungsverhältnisse aber offensichtlich die Ausbildung der notwendigen Planktonfauna als Nahrungsgrundlage.


Schlussfolgerung

Der Besatz mit im Freiwasser lebenden Renkenarten als Bewirtschaftungsform wäre angesichts dieser Nahrungsgrundlage in ihrem Lebensraum nicht sinnvoll. Bestenfalls könnte zusätzlich zur derzeitigen Bewirtschaftung ein mäßiger Besatz mit bodenlebenden Renken in Erwägung kommen, die nicht vom Nahrungspotential des Freiwasserkörpers abhängig sind.

Dr. Erik Bohl




Fotodokumentation:

(Fotos Bohl)

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